(22.02.2011, 11:02)Jesusphone schrieb: Hinzu kommt, dass kaum ein Doktorand weiß, wie man eine wissenschaftliche Arbeit anfertigt. Das lernen die in aller Regel erst im Laufe ihrer Promotion. Ob zu Guttenberg also vorsätzlich beschissen oder einfach nur geschlampt hat, muss sich erst zeigen.
Vielleicht stimmt es, dass ein erschreckend großer Teil der Studenten heutzutage das wissenschaftliche Arbeiten nicht oder nicht richtig beherrscht. Da stimme ich zu. Bei Doktoranden sieht die Situation aber ganz anders aus. Erstens wird niemand gezwungen eine Promotion zu beginnen, sondern muss sich erstens aktiv selber darum bemühen und wird zweitens normalerweise relativ gründlich durch den Doktorvater auf Eignung (d.h. in diesem Fall: Fähigkeit, angemessen wissenschaftlich zu arbeiten) geprüft. Und sollten zu Beginn der Promotion noch Defizite bei der Fähigkeit wissenschaftlich zu arbeiten vorliegen, müssen diese spätestens bis zum Ende des Promotionsverfahrens beherrscht werden, ansonsten ist man es nicht würdig, promoviert zu werden, fertig.
Ich sehe es daher als nahezu gesichert an, dass Guttenberg (der ja auch sicherlich überdurchschnittlich intelligent und kognitiv befähigt ist) wissen musste, dass eine Arbeit wie seine Dissertation ein lupenreines Plagiat und wissenschaftlich unter aller Sau ist. Falls dies nicht auf ihn zutreffen sollte und er so -- Verzeihung -- dumm sein sollte, dies trotz zunächst erfolgreichen Abschlusses von Studium und Promotion nicht erkennen zu können, möchte ich nicht, dass dieser dumme Mensch ein Minister der Bundesrepublik ist -- und zwar völlig unabhängig jeglicher politischer Couleur.
Ich als Doktorand fühle mich von dem, was Guttenberg in seiner Dissertation fabriziert hat (egal ob selbst geschrieben oder ganz oder teilweise von einem Ghostwriter verfasst), und von dem, was er nach Bekanntwerden davon zu den Anschuldigungen gesagt hat (die Zitate à la "Habe mich am Wochenende nochmal mit der Dissertation beschäftigt, und ja, es sind ein paar blöde und peinliche Fehler drin") echt absolut verarscht.
Es gibt natürlich keinen Zwangsmechanismus, dass ein aufgeflogener Plagiator von einem Ministeramt zurücktreten muss (Minister müssen ja sowieso keine Wissenschaftler sein), aber wenn der Typ nur ein kleines bisschen von seiner sonst so plakativ vorgetragenen Ehrlichkeit, Gradlinigkeit, Aufrichtigkeit etc. hätte, wüsste er genau, dass es Zeit ist, von selbst den Hut zu nehmen. Ich vermute aber, dass die Sache jetzt mit aller Macht und aller Unterstützung der Regierungsparteien ausgesessen wird.
Diese sog. "Hexenjagd" wäre übrigens selbstverständlich bei jedem anderen Politiker einer ähnlichen Relevanz genauso gemacht worden. Und wir können und sicher sein, dass spätestens jetzt die Dissertationen aller wichtigen Politiker von der jeweiligen Gegenseite genauestens unter die Lupe genommen werden, um ggf. ähnliche Fälle aufzudecken.