Menschen stürmen Foxconn Jobbörse mit Bewerbungen in der chinesischen Provinz Henan.
Dass Elektronikfirmen ihre Produkte weitestgehend im Ausland produzieren, ist gemeinhin bekannt. Fragt man einmal in die Runde, so dominiert die Meinung, dass dies allein finanzielle Gründe hätte. Dabei spielen diese gar nicht unbedingt die entscheidende Rolle. Im Kapitalismus regiert das Geld, doch alles Geld der Welt ist nutzlos ohne gewisse Grundvoraussetzungen.
Die New York Times hat nun in einem umfangreichen und sehr detaillierten Artikel darüber berichtet, warum Firmen wie Apple tatsächlich im Ausland produzieren.
Vor zehn Jahren produzierte Apple die iMacs in Elk Grove, Kalifornien, rund zwei Autostunden von Cupertino entfernt. Aber die Dinge haben sich geändert. Zu Beginn des neuen Jahrtausends hatte Apple Probleme, die Verkäufe stagnierten, Lösungen mussten her. Eine Lösung kam in Form von Tim Cook, den Steve Jobs persönlich von Compaq abgeworben hatte. Cook war federführend dabei, die Produktionsabläufe zu optimieren und ins Ausland zu verlagern. Alle 70 Millionen iPhones, 30 Millionen iPads und 59 Millionen anderen Produkte, die Apple 2011 verkauft hat, wurden in Übersee, überwiegend in Asien produziert.
Bei einem Dinner mit den Top Silicon Valley CEOs fragte Barack Obama Steve Jobs, was nötig wäre, um iPhones in den USA zu produzieren: „Why can’t that work come home?“
Die Antwort ist komplexer als sie auf den ersten Blick scheint. Eine Verlagerung der Produktion in die USA hätte auch eine Verlagerung der globalen Produktionsketten zur Folge, was einerseits enorme finanzielle Ausmaße hätte und andererseits Arbeitsplätze benötigen würde, die in den USA so nicht realisierbar sind.
Apple beschäftigt 43.000 Angestellte in den USA, die überwiegend im Retail, im Service und natürlich im HQ in Cupertino, beschäftigt sind. Allein in Cupertino arbeiten über 10.000 Angestellte bei Apple, die aber überwiegend im R&D (Research & Development) und in der Verwaltung tätig sind. Außer Prototypen und Ideen wird dort nichts produziert. Jeder von Apples Angestellten brachte dem Konzern im letzten Jahr 400.000 USD Gewinn.
In Übersee arbeiten noch einmal ca. 20.000 Angestellte für Apple, aber auch die sind überwiegend in den Stores oder im Service beschäftigt - nicht aber in der Produktion. Die Produktion wird stattdessen von Apples Vertragspartnern, Firmen wie Foxconn, übernommen, welche über 700.000 Angestellte beschäftigen, die in riesigen Hallen iPhones, iPads und andere Produkte am Fließband zusammenbauen.
Das erfordert ein hohes Maß an Disziplin und Willen sowie ein gewisses technischen Verständnis und eine Menge Arbeiter. Foxconn City, so der inoffizielle Name der Fabrikstadt in Shenzhen umfasst 230.000 Angestellte, die überwiegend 6 Tage die Woche in 12-Stunden-Schichten arbeiten. Über ein Viertel der Arbeiter lebt auch direkt dort - sie schlafen in Schlafsälen und verdienen größtenteils weniger als 17 USD pro Tag - dennoch ist die Bewerbungsflut riesig. Die Großküche kocht täglich drei Tonnen Schweinefleisch und 13 Tonnen Reis. In Schaaren strömen die Arbeiter jeweils im 7 oder 19 Uhr zur Arbeit oder nach Hause, allein 300 Wachen überwachen die Laufwege, damit die Arbeiter in den Eingängen nicht gequetscht werden. Ein Apple-Manager, der die Fabrik einmal besuchte, blieb mit seinem Auto in der vorbeiströmenden Masse stecken: „The scale is unimaginable“.
Aber auch die Mentalität ist anders. In China ist es möglich, über Nacht 3000 Arbeiter anzuheuern - in den USA undenkbar, besonders in einer so kurzen Zeitspanne. „What U.S. plant can find 3,000 people overnight and convince them to live in dorms?“
Speziell Foxconn hat ein dutzend Fabriken in Asien, Osteuropa, Mexiko und Brasilien, wo über 40% (!) der weltweiten Elektronikgüter für Firmen wie Apple, Dell, HP, Motorola, Nintendo, Samsung und Sony produziert werden. Der Organisationsaufwand der Zuliefererketten ist gigantisch, da Werk- und Rohstoffe aus allen Teilen der Welt koordiniert, transportiert, verarbeitet und zusammengebaut werden müssen. Schon deshalb ist eine Verlagerung der Produktionsstätten quasi undenkbar.
Apropos Schnelligkeit und Flexibilität: kurz vor der Markteinführung des iPhones im Jahr 2007 veränderte Apple das Design des Bildschirms und erzwang dadurch eine Überarbeitung der Fertigungsstrecke. Ein Vorarbeiter versammelte innerhalb von Stunden 8000 Arbeiter aus den Unterkünften, die alle eine Tasse Tee und einen Keks erhielten, zu ihrem Arbeitsplatz geleitet wurden und innerhalb einer halben Stunde damit begannen, in einer 12-Stunden-Schicht Glasflächen in gefräste Rahmen zu setzen. „The speed and flexibility is breathtaking. There’s no American plant that can match that.“
Knapp einen Monat vor der Markeinführung des iPhones vor 5 Jahren bestellte Steve Jobs eine Handvoll Manager in sein Büro. Er holte einen Prototypen des iPhones aus seiner Jeans, den er seit Monaten bei sich trug. Er hielt ihnen das iPhone ärgerlich vor die Nase, sodass jeder der Umstehenden die dutzenden kleinen Kratzern sehen konnte. Dann holte er seine Schlüssel aus der Tasche: „People will carry this phone in their pocket. People also carry their keys in their pocket. I won’t sell a product that gets scratched. I want a glass screen, and I want it perfect in six weeks.”
Einen Monat lang wurde experimentiert bis Apples Ingenieure endlich die perfekte Methode gefunden hatten, verstärktes Glas so zu schneiden, dass es für iPhones verwendet werden konnte. Die ersten LKW-Ladungen mit iPhone-Glas aus der drei Autostunden entfernten Glasfabrik (einer amerikanischen Firma) kamen gegen Mitternacht bei Foxconn an. Die Manager weckten daraufhin tausende Arbeiter die flink in ihre Uniformen schlüpften und die iPhones von Hand zusammen bauten. Innerhalb von drei Monaten verkaufte Apple über drei Millionen iPhones. Seitdem wurden über 200.000 Millionen weitere Geräte dort produziert.
Die Art der Flexibilität war auch einer der Gründe, warum Tim Cook die Produktion zu Auftragsfertigern nach Asien verlagerte. Denn diese können ihr Produktionsvolumen in kürzester Zeit extrem erhöhen oder vermindern. Derartige Prozesse sind in den USA, oder anderen westlichen Ländern in dieser Form nicht realisierbar.
Während die Hardware in Übersee produziert wird, ist die Software ein reines US-Produkt. Auch hierfür werden Mitarbeiter benötigt, aber in kleineren Ausmaßen als in der Produktion. Das ist auch der größte Vorteil von Firmen wie Facebook oder Google. Während Apple Heerschaaren an Produktionsarbeitern benötigt, kommen diese Firmen mit verhältnismäßig wenig Programmierern und Ingenieuren aus, da sie ausschließlich Softwareprodukte verkaufen. Auch Datenzentren verlangen nicht so viel Personal wie es scheinen mag - in Apples iCloud-Datenzentrum in Maiden, North Carolina, arbeiten, gerade einmal 100 festangestellte Mitarbeiter.
An dieser Stelle kann man diskutieren, inwiefern die Arbeitsbedingungen bei Firmen wie Foxconn moralisch vertretbar sind. Apple ist daran interessiert, die Arbeitsbedingungen bei den Zulieferern zu steigern und transparent zu gestalten, kann aber unmöglich die Arbeitsbedingungen von 700.000 Menschen bei Drittfirmen überwachen.
Letztendlich kann jeder Einzelne einem Produkt mehr Wertigkeit durch mehr Wertschätzung verleihen. Ob iPhone, iPad, Samsung Galaxy Nexus, oder Nokia 6280 - alle diese Produkte basieren auf Rohstoffen, die irgendwo unter teilweise fragwürdigen Bedingungen gewonnen und verarbeitet werden. Die Produktionsbedingungen scheinen nach unseren Maßstäben unglaublich, sind es aber aus Sicht der Arbeiter nicht, denn sonst würde sich dort vermutlich kaum jemand finden. Regelmäßig wird dieses Thema in den Medien lanciert, verschwindet aber immer schnell aus dem Blickpunkt der Öffentlichkeit. In der Tat könnte man den Artikel der New York Times wohl auch 1:1 auf andere IT-Konzerne ummünzen.
Die New York Times hat nun in einem umfangreichen und sehr detaillierten Artikel darüber berichtet, warum Firmen wie Apple tatsächlich im Ausland produzieren.
Vor zehn Jahren produzierte Apple die iMacs in Elk Grove, Kalifornien, rund zwei Autostunden von Cupertino entfernt. Aber die Dinge haben sich geändert. Zu Beginn des neuen Jahrtausends hatte Apple Probleme, die Verkäufe stagnierten, Lösungen mussten her. Eine Lösung kam in Form von Tim Cook, den Steve Jobs persönlich von Compaq abgeworben hatte. Cook war federführend dabei, die Produktionsabläufe zu optimieren und ins Ausland zu verlagern. Alle 70 Millionen iPhones, 30 Millionen iPads und 59 Millionen anderen Produkte, die Apple 2011 verkauft hat, wurden in Übersee, überwiegend in Asien produziert.
Bei einem Dinner mit den Top Silicon Valley CEOs fragte Barack Obama Steve Jobs, was nötig wäre, um iPhones in den USA zu produzieren: „Why can’t that work come home?“
Die Antwort ist komplexer als sie auf den ersten Blick scheint. Eine Verlagerung der Produktion in die USA hätte auch eine Verlagerung der globalen Produktionsketten zur Folge, was einerseits enorme finanzielle Ausmaße hätte und andererseits Arbeitsplätze benötigen würde, die in den USA so nicht realisierbar sind.
Apple beschäftigt 43.000 Angestellte in den USA, die überwiegend im Retail, im Service und natürlich im HQ in Cupertino, beschäftigt sind. Allein in Cupertino arbeiten über 10.000 Angestellte bei Apple, die aber überwiegend im R&D (Research & Development) und in der Verwaltung tätig sind. Außer Prototypen und Ideen wird dort nichts produziert. Jeder von Apples Angestellten brachte dem Konzern im letzten Jahr 400.000 USD Gewinn.
In Übersee arbeiten noch einmal ca. 20.000 Angestellte für Apple, aber auch die sind überwiegend in den Stores oder im Service beschäftigt - nicht aber in der Produktion. Die Produktion wird stattdessen von Apples Vertragspartnern, Firmen wie Foxconn, übernommen, welche über 700.000 Angestellte beschäftigen, die in riesigen Hallen iPhones, iPads und andere Produkte am Fließband zusammenbauen.
Das erfordert ein hohes Maß an Disziplin und Willen sowie ein gewisses technischen Verständnis und eine Menge Arbeiter. Foxconn City, so der inoffizielle Name der Fabrikstadt in Shenzhen umfasst 230.000 Angestellte, die überwiegend 6 Tage die Woche in 12-Stunden-Schichten arbeiten. Über ein Viertel der Arbeiter lebt auch direkt dort - sie schlafen in Schlafsälen und verdienen größtenteils weniger als 17 USD pro Tag - dennoch ist die Bewerbungsflut riesig. Die Großküche kocht täglich drei Tonnen Schweinefleisch und 13 Tonnen Reis. In Schaaren strömen die Arbeiter jeweils im 7 oder 19 Uhr zur Arbeit oder nach Hause, allein 300 Wachen überwachen die Laufwege, damit die Arbeiter in den Eingängen nicht gequetscht werden. Ein Apple-Manager, der die Fabrik einmal besuchte, blieb mit seinem Auto in der vorbeiströmenden Masse stecken: „The scale is unimaginable“.
Aber auch die Mentalität ist anders. In China ist es möglich, über Nacht 3000 Arbeiter anzuheuern - in den USA undenkbar, besonders in einer so kurzen Zeitspanne. „What U.S. plant can find 3,000 people overnight and convince them to live in dorms?“
Speziell Foxconn hat ein dutzend Fabriken in Asien, Osteuropa, Mexiko und Brasilien, wo über 40% (!) der weltweiten Elektronikgüter für Firmen wie Apple, Dell, HP, Motorola, Nintendo, Samsung und Sony produziert werden. Der Organisationsaufwand der Zuliefererketten ist gigantisch, da Werk- und Rohstoffe aus allen Teilen der Welt koordiniert, transportiert, verarbeitet und zusammengebaut werden müssen. Schon deshalb ist eine Verlagerung der Produktionsstätten quasi undenkbar.
Apropos Schnelligkeit und Flexibilität: kurz vor der Markteinführung des iPhones im Jahr 2007 veränderte Apple das Design des Bildschirms und erzwang dadurch eine Überarbeitung der Fertigungsstrecke. Ein Vorarbeiter versammelte innerhalb von Stunden 8000 Arbeiter aus den Unterkünften, die alle eine Tasse Tee und einen Keks erhielten, zu ihrem Arbeitsplatz geleitet wurden und innerhalb einer halben Stunde damit begannen, in einer 12-Stunden-Schicht Glasflächen in gefräste Rahmen zu setzen. „The speed and flexibility is breathtaking. There’s no American plant that can match that.“
Knapp einen Monat vor der Markeinführung des iPhones vor 5 Jahren bestellte Steve Jobs eine Handvoll Manager in sein Büro. Er holte einen Prototypen des iPhones aus seiner Jeans, den er seit Monaten bei sich trug. Er hielt ihnen das iPhone ärgerlich vor die Nase, sodass jeder der Umstehenden die dutzenden kleinen Kratzern sehen konnte. Dann holte er seine Schlüssel aus der Tasche: „People will carry this phone in their pocket. People also carry their keys in their pocket. I won’t sell a product that gets scratched. I want a glass screen, and I want it perfect in six weeks.”
Einen Monat lang wurde experimentiert bis Apples Ingenieure endlich die perfekte Methode gefunden hatten, verstärktes Glas so zu schneiden, dass es für iPhones verwendet werden konnte. Die ersten LKW-Ladungen mit iPhone-Glas aus der drei Autostunden entfernten Glasfabrik (einer amerikanischen Firma) kamen gegen Mitternacht bei Foxconn an. Die Manager weckten daraufhin tausende Arbeiter die flink in ihre Uniformen schlüpften und die iPhones von Hand zusammen bauten. Innerhalb von drei Monaten verkaufte Apple über drei Millionen iPhones. Seitdem wurden über 200.000 Millionen weitere Geräte dort produziert.
Die Art der Flexibilität war auch einer der Gründe, warum Tim Cook die Produktion zu Auftragsfertigern nach Asien verlagerte. Denn diese können ihr Produktionsvolumen in kürzester Zeit extrem erhöhen oder vermindern. Derartige Prozesse sind in den USA, oder anderen westlichen Ländern in dieser Form nicht realisierbar.
Während die Hardware in Übersee produziert wird, ist die Software ein reines US-Produkt. Auch hierfür werden Mitarbeiter benötigt, aber in kleineren Ausmaßen als in der Produktion. Das ist auch der größte Vorteil von Firmen wie Facebook oder Google. Während Apple Heerschaaren an Produktionsarbeitern benötigt, kommen diese Firmen mit verhältnismäßig wenig Programmierern und Ingenieuren aus, da sie ausschließlich Softwareprodukte verkaufen. Auch Datenzentren verlangen nicht so viel Personal wie es scheinen mag - in Apples iCloud-Datenzentrum in Maiden, North Carolina, arbeiten, gerade einmal 100 festangestellte Mitarbeiter.
An dieser Stelle kann man diskutieren, inwiefern die Arbeitsbedingungen bei Firmen wie Foxconn moralisch vertretbar sind. Apple ist daran interessiert, die Arbeitsbedingungen bei den Zulieferern zu steigern und transparent zu gestalten, kann aber unmöglich die Arbeitsbedingungen von 700.000 Menschen bei Drittfirmen überwachen.
Letztendlich kann jeder Einzelne einem Produkt mehr Wertigkeit durch mehr Wertschätzung verleihen. Ob iPhone, iPad, Samsung Galaxy Nexus, oder Nokia 6280 - alle diese Produkte basieren auf Rohstoffen, die irgendwo unter teilweise fragwürdigen Bedingungen gewonnen und verarbeitet werden. Die Produktionsbedingungen scheinen nach unseren Maßstäben unglaublich, sind es aber aus Sicht der Arbeiter nicht, denn sonst würde sich dort vermutlich kaum jemand finden. Regelmäßig wird dieses Thema in den Medien lanciert, verschwindet aber immer schnell aus dem Blickpunkt der Öffentlichkeit. In der Tat könnte man den Artikel der New York Times wohl auch 1:1 auf andere IT-Konzerne ummünzen.